Expansion nach Deutschland

Der deutsche Markt ist als Teil der EU generell stärker reguliert als der Schweizer Markt. In Deutschland müssen – wie im ganzen EU-Raum – die durch die EU auferlegten Regeln beachtet werden. Was zunächst mühsam erscheint, öffnet jedoch Türen: Durch die strenge deutsche Regulatorik ist eine Expansion in andere EU-Länder mit einer weniger strengen Regulatorik ein einfacherer Schritt und oft kann der gesamte EU-Markt aus Deutschland bedient werden. 

Die wichtigsten Themen die (fast) jedes Unternehmen betreffen sind dabei Datenschutz, Verbraucherschutz und wettbewerbliche Vorgaben. Zudem gibt es branchenspezifische Regelungen wie z.B. in der Finanz- und Versicherungsbranche oder Medizinprodukte betreffend. Weitere Einzelheiten finden Sie in unserem Guide “Geschäftstätigkeit in Deutschland”. 

Geistiges Eigentum wird in Deutschland weitestgehend ähnlich der Schweiz geschützt. Der Schutz für Marken und Patente sollte bei einer Expansion auf den deutschen Rechtsraum erweitert werden. So kann das geistige Eigentum auch, beispielsweise durch eine Lizensierung, wirtschaftlich besser genutzt werden.  

Es ist zu beachten, dass es sich bei Marken und Patenten um Registerrechte handelt – in der Schweiz eingetragene Rechte sind lediglich in der Schweiz geschützt. Für einen Schutz auf dem deutschen oder europäischen Markt müssen sie deshalb auch im jeweiligen deutschen bzw. europäischen Register eingetragen werden. In Deutschland ist das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) für die Registrierung von Marken und Patenten zuständig. 

Im Gegensatz dazu sind urheberrechtlich geschützte Werke auch in Deutschland ohne besondere Anmeldung oder Registrierung geschützt. Der Urheberrechtsschutz entsteht automatisch mit der Schöpfung des Werks.  

Technische Erfindungen werden am effektivsten durch eine Patentanmeldung geschützt. Diese bietet den umfassendsten Schutz, ist jedoch langwierig und bedarf der fachlichen Beratung eines Patentanwalts. Daneben besteht auch die Möglichkeit eines Schutzes als Gebrauchsmuster – die Gebrauchsmusterregistrierung ist schneller und kostengünstiger als die Patentanmeldung, dafür aber weniger weitreichend. 

Im B2B-Bereich ist in Deutschland bereits bei der Einbeziehung von AGB Vorsicht geboten. Mitgesandte AGB von Vertragspartnern haben automatisch Vorrang vor den eigenen AGB, sofern diesen nicht aktiv widersprochen wird. In Deutschland orientieren sich die Gerichte bei der Auslegung von AGB im B2B-Bereich zudem oft an der verbraucherfreundlichen AGB-Auslegung aus dem B2C-Bereich. Entsprechend bietet es sich im B2B-Bereich an, das Schweizer Recht für anwendbar zu erklären, da dieses im AGB-Recht weniger streng ist und einen reibungsloseren Handel erlaubt. 

Im B2C-Bereich mit deutschen Verbrauchern ist zu beachten, dass nicht einfach das weniger verbraucherfreundliche Schweizer Recht vereinbart werden kann – die Rechtswahlklausel muss darauf hinweisen, dass das für den Verbraucher günstigere Heimatrecht ebenfalls Anwendung findet. AGB-Klauseln werden von deutschen Gerichten darüber hinaus umfangreich kontrolliert. Die deutsche Rechtsprechung hat hierbei eine Art umfassendes Fallrecht entwickelt, weshalb AGB regelmäßig aktualisiert werden müssen. 

Weitere Unterschiede bestehen insbesondere bei Verjährungsfristen und Formvorschriften (z.B. bei der Abtretung von Forderungen, die in Deutschland auch durch schlüssiges Verhalten vorgenommen werden kann). 

Bereits Stellenausschreibungen müssen mit Bedacht verfasst werden. Hier kann es in Deutschland schnell zu Ungleichbehandlungen kommen, die Schadensersatzforderungen und insbesondere einen Imageschaden nach sich ziehen können. Bei der Budgetplanung sind Mindestlohnvorschriften zu beachten. Der Mindestlohn gilt dabei auch für Praktikanten, außer es handelt sich um ein Praktikum zu Ausbildungszwecken. Es ist außerdem möglich, eine Probezeit von bis zu sechs Monaten zu vereinbaren, in welcher die Kündigung beiderseitig mit einer verkürzten Frist von zwei Wochen ausgesprochen werden kann. 

Bei der Gestaltung von deutschen Arbeitsverträgen gelten zahlreiche Besonderheiten. So müssen etwa befristete Arbeitsverträge zwingend handschriftlich unterzeichnet werden, andernfalls gelten sie unbefristet. Im Bereich der Hinzuziehung freier Mitarbeiter ist das Risiko der Scheinselbständigkeit das größte Problem. Werden freie Mitarbeiter von der deutschen Rentenversicherung nachträglich als Angestellte eingestuft, drohen immense Nachzahlungen an Sozialabgaben und Steuern. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind möglich. Für bestimmte Berufsgruppen gelten zudem pauschale Einstufungen als Arbeitnehmer, die nur schwer widerlegt werden können. Durch eine sorgfältige Überprüfung der freien Mitarbeiterverträge sowie der tatsächlich gelebten Verhältnisse lässt sich das Risiko der Scheinselbständigkeit deutlich reduzieren.  

Ab einer Unternehmensgröße von zehn lokalen Mitarbeitern gelten in Deutschland im Vergleich zur Schweiz strenge Kündigungsregeln. Für eine ordentliche Kündigung bedarf es dann eines Kündigungsgrunds. Die Kündigung kann betriebs-, personen- oder verhaltensbedingt erfolgen. Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung muss zudem zuvor eine Mahnung ausgesprochen werden. Auch außerordentliche Kündigungen sollten wohlüberlegt sein – kommt es zu einem Gerichtsverfahren, muss der Arbeitgeber auch hier den Kündigungsgrund sorgfältig darlegen.  

Weiterhin ist zu beachten, dass jede Kündigung in Deutschland zwingend handschriftlich unterzeichnet werden muss. Eine Kündigung per E-Mail wäre in Deutschland beispielsweise unwirksam. In der Schweiz ist dies dagegen durchaus zulässig. 

Für die Incentivierung von Mitarbeitern sind Mitarbeiterbeteiligungspläne (in Form von VSOP oder ESOP) auch in Deutschland allgegenwärtig. Während in anderen Rechtsordnungen eine Beteiligung in Form eines ESOP (d.h. echte Anteile) noch häufiger verbreitet ist, hat sich in Deutschland die virtuelle Beteiligung mittels VSOP durchgesetzt. Eine rein virtuelle Beteiligung hat dabei mehrere Vorteile. Erstens werden bei der Gewährung von echten Anteilen bzw. Anteilsoptionen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge häufig bereits zu einem Zeitpunkt fällig, an dem noch kein Geld geflossen ist – etwa beim Wechsel des Arbeitgebers. Virtuelle Anteile hingegen sind nur dann steuerpflichtig, wenn ein Liquiditätsereignis eintritt und der Arbeitnehmer Bargeld erhält. Zweitens ist die Ausübung von echten Anteilsoptionen aufwändiger und kostspieliger, weil die Übertragung von Aktien und GmbH-Anteilen notariell beurkundet werden muss.  

Gerne unterstützen wir euch beim Ausrollen eines deutschen oder internationalen Mitarbeiterbeteiligungsprogramms.